Earn-out-Regelungen im Unternehmensverkauf: Rechtssichere Gestaltung, Streitvermeidung und strategische Auszahlungsmodelle

Einleitung

Der Earn-out ist eines der anspruchsvollsten Instrumente im modernen M&A-Vertragsrecht. Er verbindet juristische Präzision mit wirtschaftlicher Flexibilität – und birgt dennoch erhebliche Risiken.
Verkäufer hoffen auf eine erfolgsabhängige Nachvergütung, während Käufer die Transaktionsrisiken abfedern möchten.
Damit die spätere Kaufpreis-Auszahlung nicht zum Streitfall wird, müssen KPIs, Meilensteine und Vertragsklauseln so formuliert werden, dass Manipulationen, Bilanzpolitik und Auslegungsspielräume ausgeschlossen sind.
Dieser Leitfaden zeigt, wie Sie eine Earn-out-Regelung im deutschen M&A-Kontext rechtssicher strukturieren, Streit vermeiden und den wirtschaftlichen Erfolg transparent absichern.


1. Funktion und wirtschaftliche Bedeutung des Earn-out

Eine Earn-out-Regelung dient der Überbrückung von Bewertungsdifferenzen zwischen Käufer und Verkäufer. Sie koppelt einen Teil des Kaufpreises an die zukünftige Performance des Unternehmens – meist gemessen an objektiven KPIs.

Typische Einsatzszenarien:

  • Käufer will Prognoseunsicherheiten begrenzen

  • Verkäufer möchte an späteren Ertragssteigerungen teilhaben

  • Beide Parteien wollen Transaktionsrisiken fair verteilen

Juristisch handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Kaufpreisvereinbarung (§ 158 Abs. 1 BGB). Der Anspruch auf Zahlung entsteht erst, wenn die vereinbarten Ziele nachweislich erreicht wurden.

➡️ Fachbeitrag: Was ist eine Earn-Out-Vereinbarung?

 

2. Rechtliche Grundlagen und Vertragsklauseln

Die rechtssichere Gestaltung einer Earn-out-Klausel erfordert eine präzise Definition aller Berechnungsparameter, Fristen und Prüfungsrechte.
Unklare Begriffe oder unvollständige Mechanismen führen häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Empfohlene Vertragsbestandteile:

  • Definition der relevanten KPIs (z. B. EBITDA, EBIT, Umsatz)

  • Laufzeit der Earn-out-Periode (typisch: 24–36 Monate)

  • Mechanismus zur Ermittlung und Berechnung

  • Offenlegungspflichten und Prüfungsrechte des Verkäufers

  • Streitlösungsverfahren (z. B. Mediation oder Independent Expert)

Juristisch sollte der Earn-out in einem separaten Abschnitt des Kaufvertrags geregelt werden, um die Systematik der Vertragsklauseln klar zu trennen und Nachverhandlungen zu vermeiden.


3. KPI-Definition und Meilensteine

Die Definition von KPIs ist der juristische Kern der Earn-out-Regelung. Nur objektiv messbare Kennzahlen gewährleisten Rechtssicherheit und Transparenz.

Best Practices für KPI-Strukturierung:

  • Verwendung eindeutig messbarer Finanzkennzahlen (EBITDA, Umsatz, Cashflow)

  • Klare Formulierung der Berechnungslogik (keine Auslegungsspielräume)

  • Verknüpfung der Meilensteine mit definierten Zahlungszeitpunkten

  • Aufnahme einer Beweisregel (z. B. Wirtschaftsprüferprüfung gemäß § 319 HGB)

Beispiel:
„Der Earn-out gilt als erreicht, wenn das EBITDA in den 24 Monaten nach Closing kumuliert mindestens 1,5 Mio. EUR beträgt.“

➡️ Fachbeitrag: Earn-Out im Mittelstand – Juristische Grundlagen und Erfolgsstrategien

 

4. Bilanzpolitik und Schutzmechanismen für Verkäufer

Eines der größten Risiken des Earn-out liegt in der Bilanzpolitik nach dem Closing. Käufer können – bewusst oder unbewusst – durch buchhalterische Entscheidungen die Zielerreichung beeinflussen.

Beispiele typischer Eingriffe:

  • Vorziehen von Aufwendungen oder Rückstellungen

  • Verschiebung von Umsätzen in spätere Perioden

  • Änderung der Abschreibungspolitik

  • Reduktion von Investitionen zur Gewinnsenkung

Vertragliche Schutzmaßnahmen:

  • Verpflichtung zur Fortführung der bisherigen Bilanzierungsmethoden (Stetigkeitsprinzip, § 252 HGB)

  • Zustimmungspflicht des Verkäufers bei wesentlichen Abweichungen

  • unabhängige Prüfungsbefugnis durch einen neutralen Wirtschaftsprüfer

So wird sichergestellt, dass die wirtschaftlichen Kennzahlen objektiv bleiben und der Earn-out nicht durch manipulative Maßnahmen entwertet wird.


5. Streitvermeidung und Konfliktlösung

Da Earn-out-Regelungen regelmäßig zu Konflikten führen, sollte der Vertrag ein standardisiertes Streitlösungsverfahren vorsehen.

Empfohlene Vorgehensweise:

  • Festlegung einer Schieds- oder Mediationsklausel

  • Gutachterentscheidung (Independent Expert) bei Bewertungsstreitigkeiten

  • Vereinbarung eines verbindlichen Zeitrahmens für Einwände und Nachweise

In größeren Transaktionen kann eine W&I Versicherung (Warranty & Indemnity) ergänzend zur Absicherung eingesetzt werden. Sie schützt Käufer und Verkäufer vor finanziellen Risiken aus fehlerhaften Angaben oder Streitigkeiten über die Zielerreichung.


6. Alternativen zum Earn-out

Ein Earn-out ist nicht immer die beste Lösung. Alternativ können folgende Modelle eingesetzt werden:

  • Gestaffelte Kaufpreiszahlungen (Fixed Tranches)

  • Vendor Loan (Verkäuferdarlehen) zur Überbrückung von Bewertungsdifferenzen

  • Escrow-Modelle mit treuhänderisch hinterlegtem Teilkaufpreis

  • Beteiligungsoptionen für Verkäufer oder Management

Diese Alternativen sind oft weniger streitanfällig und eignen sich insbesondere für mittelständische Transaktionen mit begrenztem Prüfungsbudget.


FAQ – Häufig gestellte Fragen

Wie definiert man KPIs im Earn-out rechtssicher?
Durch objektiv messbare Kennzahlen wie EBITDA oder Umsatz, kombiniert mit eindeutiger Berechnungslogik und Prüfungsrechten.

Welche Risiken bergen Earn-outs für Verkäufer?
Insbesondere bilanzpolitische Eingriffe nach dem Closing, unklare Vertragsklauseln oder fehlende Nachprüfbarkeit der KPIs.

Wie verhindere ich Bilanzpolitik zu Lasten des Earn-outs?
Durch verbindliche Bilanzierungsvorschriften, Zustimmungspflichten und neutrale Prüfungsinstanzen.

Welche Alternativen zum Earn-out gibt es?
Vendor Loans, gestaffelte Kaufpreiszahlungen, Escrow-Lösungen oder Beteiligungsmodelle.


Juristische Gesamtbewertung und Handlungsempfehlung

Eine professionell gestaltete Earn-out-Regelung schafft Rechtssicherheit, Transparenz und Vertrauen zwischen Käufer und Verkäufer.
Wer frühzeitig präzise KPIs definiert, Bilanzierungsgrundsätze vertraglich fixiert und Streitmechanismen vorsieht, vermeidet langwierige Konflikte.
Richtig umgesetzt, ist der Earn-out kein Risiko, sondern ein strategisches Instrument zur fairen Kaufpreisverteilung – ob beim Unternehmen kaufen, Firma kaufen oder Firmen kaufen.
Verkäufer sollten sich von spezialisierten M&A-Juristen begleiten lassen, um wirtschaftliche Interessen mit rechtlicher Präzision abzusichern.

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