
Einleitung
Eine fundierte Unternehmensbewertung entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg jeder Unternehmensnachfolge. Sie ist nicht nur eine mathematische Übung, sondern ein juristisch, steuerlich und strategisch komplexer Prozess. Zwischen der Discounted-Cashflow-(DCF)-Methode und der Multiplikator-Methode bestehen erhebliche Unterschiede in Berechnungslogik, Datengrundlage und Aussagekraft.
Dieser Beitrag erläutert, wie beide Verfahren in der Praxis angewendet werden, welche Kennzahlen entscheidend sind und wann eine Kombination den realistischsten Kaufpreis liefert.
1. Rolle der Unternehmensbewertung im M&A-Prozess
Im Rahmen einer Geschäftsübernahme oder eines Unternehmen verkaufen bildet die Bewertung die Grundlage für Verhandlungen, Finanzierungsentscheidungen und steuerliche Strukturierungen.
Sie ist relevant für:
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die Festlegung der Kaufpreisstruktur,
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die Beurteilung von Goodwill (Firmenwert),
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und die Due Diligence zur Ermittlung von Chancen und Risiken.
Ziel ist ein marktgerechter Wert, der die Ertragskraft, Risiken und Zukunftsperspektiven des Unternehmens widerspiegelt.
2. DCF-Methode: Ertragswertorientierte Zukunftsbewertung
Die DCF-Methode gilt als eines der präzisesten Verfahren der modernen Unternehmensbewertung. Sie basiert auf der Kapitalisierung zukünftiger freier Cashflows und gewichtet diese mit dem WACC (Weighted Average Cost of Capital).
Bewertungslogik
Unternehmenswert = Σ (Free Cashflow_t / (1 + WACC)^t) + Terminal Value
Zentrale Parameter:
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Free Cashflow: operativer Überschuss nach Investitionen,
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Diskontierungssatz (WACC): gewichtete Kapitalkosten aus Eigen- und Fremdkapital,
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Terminal Value: ewiger Ertragswert nach Planungsperiode.
Vorteile:
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hohe Genauigkeit bei stabilen Cashflows,
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individuell auf Kapitalstruktur abgestimmt,
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transparent nachvollziehbar bei Kapitalmarktrelevanz.
Nachteile:
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stark abhängig von Prognosen,
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hohe Datenanforderungen,
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anfällig für Manipulation bei Annahmen (z. B. Wachstumsrate oder Diskontsatz).
3. Multiplikator-Methode: Marktorientierte Bewertung auf Basis von Vergleichsdaten
Die Multiplikator-Methode orientiert sich an Markttransaktionen vergleichbarer Unternehmen (Peer Group). Bewertet wird auf Grundlage von Umsatz-, EBIT- oder EBITDA-Multiples.
Unternehmenswert = EBITDA × Branchenmultiplikator
Beispiel:
Ein Maschinenbauunternehmen erzielt ein EBITDA von 700.000 €. Bei einem Branchenmultiplikator von 6 ergibt sich ein Unternehmenswert von 4,2 Mio. €.
Vorteile:
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praxisnah und leicht verständlich,
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schnelle Bewertung im KMU-Segment,
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Marktvergleich auf Basis realer Transaktionsdaten.
Nachteile:
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keine Berücksichtigung individueller Kapitalstruktur,
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Multiplikatoren stark konjunkturabhängig,
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eingeschränkte Aussagekraft bei Nischenbranchen.
4. Branchenmultiplikatoren 2025 (Deutschland)
Branche | EBITDA-Multiple (2025) |
---|---|
Maschinenbau | 5,5 – 6,5 |
IT / Software | 7,0 – 9,0 |
Bau / Handwerk | 3,5 – 5,0 |
Gesundheitswesen | 6,0 – 7,5 |
Dienstleistungen | 4,0 – 6,0 |
Handel / E-Commerce | 5,0 – 8,0 |
Diese Branchenmultiplikatoren dienen als Benchmark und werden in M&A-Transaktionen häufig zur Plausibilisierung von DCF-Ergebnissen verwendet.
5. DCF vs. Multiplikator – systematischer Methodenvergleich
Bewertungskriterium | DCF-Methode | Multiplikator-Methode |
---|---|---|
Grundlage | Prognostizierte Cashflows | Vergleichsdaten |
Genauigkeit | Hoch bei stabilen Märkten | Schnell, aber schwankend |
Anwendbarkeit | größere Unternehmen | KMU & Mittelstand |
Objektivität | stark modellabhängig | marktbezogen |
Vorteil bei Nachfolge | hohe Präzision | einfache Kommunikation |
Schwäche | komplexe Berechnung | geringe Individualisierung |
Die Praxis kombiniert oft beide Ansätze: Die DCF-Methode liefert den theoretischen Kapitalwert, während die Multiplikator-Methode als Plausibilitätscheck für Investoren dient.
6. Praxisbeispiel: Mittelständische Nachfolge im Dienstleistungssektor
Ein Beratungsunternehmen erzielt ein jährliches EBITDA von 500.000 €.
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DCF-Ergebnis: 2,7 Mio. €
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Multiplikator (5,0 × EBITDA): 2,5 Mio. €
Durch Kombination beider Methoden ergibt sich ein realer Bewertungskorridor von 2,5–2,7 Mio. €, der als Grundlage für die Kaufpreisverhandlung zwischen Verkäufer und potenziellem Unternehmen kaufen-Interessenten dient.
7. Typische Fehler in der Unternehmensbewertung
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Überoptimistische Wachstumsannahmen im DCF-Modell,
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fehlerhafte Abgrenzung zwischen Unternehmenswert und Eigenkapitalwert,
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unzulässige Doppelberücksichtigung von Goodwill,
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falsche Anwendung von EBITDA-Multiples,
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Missachtung von Steuereffekten und Working Capital Mechanismen.
Weiterführende Fachbeiträge
➡️ Unternehmensbewertung – Ein Leitfaden für Unternehmer
➡️ Was ist der Unterschied zwischen Wert und Preis?
Schlussbetrachtung: Wertorientierte Nachfolgeplanung als Erfolgsfaktor
Eine Unternehmensbewertung ist weit mehr als eine Rechenaufgabe – sie ist das Fundament jeder erfolgreichen Nachfolge. Nur wer DCF- und Multiplikator-Methoden rechtssicher kombiniert, schafft Transparenz und Vertrauen zwischen Verkäufer, Käufer und Berater.
Der nachhaltige Erfolg einer Unternehmensnachfolge hängt letztlich davon ab, ob der erzielte Kaufpreis ökonomisch fundiert, steuerlich optimiert und strategisch vertretbar ist.
FAQ zur Unternehmensbewertung
Wie funktioniert die DCF-Methode?
Durch Abzinsung künftiger Cashflows mit den gewichteten Kapitalkosten (WACC).
Welche Multiples sind marktüblich?
Je nach Branche zwischen 3,5 und 9,0 – aktuelle Werte siehe Tabelle.
Wann ist DCF genauer?
Bei stabilen, planbaren Erträgen und klarer Kapitalstruktur.
Welche Daten brauche ich für die Bewertung?
Businessplan, Bilanzdaten, Finanzplan, WACC, Steuer- und Marktdaten.