
Einleitung
In kaum einem anderen Bereich des Unternehmenskaufs treffen wirtschaftliche Erwartungen und juristische Präzision so stark aufeinander wie bei der Earn-out-Regelung. Sie verknüpft den Kaufpreis mit der zukünftigen Ertragskraft des Unternehmens und dient damit als Brücke zwischen Käufer- und Verkäuferinteressen.
Gerade bei Firmenübernahmen oder in der Unternehmensnachfolge kann ein Earn-out den Deal entscheidend beeinflussen – wenn er richtig gestaltet ist. Fehler bei der KPI-Definition, unklare Meilensteine oder mangelnde Absicherung gegen Bilanzpolitik führen jedoch schnell zu teuren Konflikten.
Dieser Beitrag zeigt, wie Sie Earn-outs rechtssicher strukturieren, welche juristischen Standards gelten und wie Sie Streit durch professionelle Schiedsklauseln vermeiden.
1. Grundprinzip und Zielsetzung der Earn-out-Regelung
Ein Earn-out ist ein variabler Bestandteil des Kaufpreises, der an die zukünftige Performance des Zielunternehmens geknüpft ist.
Der Käufer zahlt zunächst einen festen Basiskaufpreis und leistet nachträgliche Zahlungen, wenn vereinbarte Ziele (z. B. Umsatz oder EBITDA) erreicht werden.
Ziel:
Ein Ausgleich zwischen Unsicherheiten in der Bewertung (z. B. bei Wachstumsunternehmen, Start-ups oder Nachfolgeregelungen).
Der Earn-out schützt den Verkäufer vor Unterbewertung und reduziert gleichzeitig das Risiko des Käufers, zu viel zu zahlen.
Typische Anwendungsfälle:
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Nachfolgeregelungen mit operativer Weiterführung durch den Verkäufer
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Firmenübernahme mit unklarer Umsatzentwicklung
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Unternehmen verkaufen in volatilen Märkten
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Private-Equity-Transaktionen mit Performance-Targets
2. Rechtliche Grundlagen im M&A-Vertrag
Die Earn-out-Regelung wird meist in einem gesonderten Abschnitt des Kaufvertrags festgehalten.
Wesentliche Vertragskomponenten:
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Bemessungsgrundlage: z. B. EBITDA, EBIT, Umsatz oder andere operative Kennzahlen.
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Messzeitraum: meist 24–36 Monate nach Closing.
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Berechnungslogik: Formel oder Tabelle mit Bonusstaffel.
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Prüfrechte: Einsicht in Finanzdaten, Kontrollrechte, Reportingpflichten.
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Dispute-Mechanismus: Schiedsklausel oder Expert Determination zur Streitlösung.
Juristisch betrachtet handelt es sich um einen nachträglichen Kaufpreisbestandteil im Sinne des § 453 BGB analog.
Auch steuerlich ist der Earn-out Teil des Gesamtkaufpreises und wird im Realisationszeitpunkt steuerpflichtig.
3. KPI-Definition: Messbare Ziele statt Interpretationsspielräume
Die präzise Definition von KPI (Key Performance Indicators) ist das Rückgrat jeder Earn-out-Vereinbarung.
Zu vermeiden sind unbestimmte Formulierungen wie „angemessener Gewinn“ oder „positive Geschäftsentwicklung“.
Best Practice:
Erstellen Sie ein KPI-Manual als Vertragsanhang. Dieses sollte enthalten:
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Berechnungsformeln (z. B. EBITDA nach HGB, ohne Sondereffekte)
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Quellen (testierte Jahresabschlüsse, geprüfte Buchhaltung)
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Ausnahmeregeln (z. B. keine internen Verrechnungen, keine Sonderabschreibungen)
So verhindern Sie spätere Streitigkeiten über Berechnungsmethoden oder Ergebnisdefinitionen.
4. Bilanzpolitik – das häufigste Risiko bei Earn-outs
Nach dem Closing liegt die operative Kontrolle beim Käufer.
Dadurch kann dieser über Bilanzpolitik (z. B. Rückstellungen, Vorratsbewertung, IFRS-Umstellungen) den ausgewiesenen Erfolg beeinflussen – meist zum Nachteil des Verkäufers.
Vertragliche Absicherung:
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Fixierung der Bilanzierungsrichtlinien im Vertrag (z. B. HGB-Standard)
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Zustimmungspflichten bei buchhalterischen Änderungen
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Einsatz eines neutralen Wirtschaftsprüfers zur KPI-Prüfung
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Regelmäßige Finanzberichte an den Verkäufer
Ein klarer Bilanzierungsrahmen verhindert Manipulationen und schafft Vertrauen.
5. Meilensteine und Controlling
Neben finanziellen Zielen können auch operative Meilensteine festgelegt werden – etwa erfolgreiche Produkteinführungen, Patenterteilungen oder Kundenabschlüsse.
Diese sind vor allem bei technologieorientierten Unternehmen oder Carve-out-Transaktionen üblich.
Praxis-Tipp:
Nutzen Sie Meilenstein-Monitoring-Tools oder Reporting-Templates. Diese sichern Nachvollziehbarkeit und reduzieren Interpretationsspielräume zwischen Käufer und Verkäufer.
6. Streitvermeidung: Schiedsklausel oder Gutachterverfahren
Streitigkeiten über Earn-out-Zahlungen sind in der M&A-Praxis häufig.
Eine Schiedsklausel nach § 317 BGB („Schiedsgutachterklausel“) gilt als bewährte Methode zur schnellen und diskreten Klärung.
Beispielhafte Vertragsformulierung:
„Streitigkeiten über die Ermittlung oder Berechnung der Earn-out-Komponente werden durch einen von der IHK benannten Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter entschieden. Die Entscheidung ist bindend.“
Diese Lösung ist günstiger, schneller und wahrt die Vertraulichkeit der Parteien – ein zentrales Element jeder professionellen Transaktionsstruktur.
7. Alternativen zum Earn-out
Wenn die Erfolgsdefinition zu komplex oder streitanfällig ist, kommen folgende Alternativen in Betracht:
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Vendor Loan: Verkäuferdarlehen mit variabler Verzinsung
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Escrow-Modell: Kaufpreisanteil wird auf einem Treuhandkonto verwahrt
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Ratchet-Klausel: Beteiligungsquote des Verkäufers verändert sich nach Zielerreichung
Diese Strukturen bieten ähnliche Anreizsysteme, aber mit geringerer Abhängigkeit von Bilanzdaten.
8. Weiterführende Fachbeiträge
➡️ Was ist eine Earn-Out-Regelung beim Unternehmensverkauf und welche Vorteile hat sie?
➡️ Hier finden Sie Ihr Unternehmen
Externe Quelle: Bundesverband M&A Deutschland – Earn-out-Guideline 2025
Schlussabschnitt
Eine professionelle Earn-out-Regelung ist mehr als eine Kaufpreisformel – sie ist ein Balanceakt zwischen Vertrauen, Transparenz und juristischer Präzision.
Wer KPI, Meilensteine und Bilanzpolitik sauber definiert, schafft die Grundlage für eine stabile und nachvollziehbare Kaufpreisstruktur.
Insbesondere bei Unternehmensnachfolge- oder Firmenübernahme-Transaktionen ist der Earn-out ein wirksames Instrument, um den langfristigen Erfolg beider Parteien abzusichern – vorausgesetzt, er ist klar, fair und rechtssicher formuliert.
FAQ
Wie definiere ich KPIs rechtssicher?
Durch klare Formeln, Bilanzierungsrichtlinien und vertragliche Reportingpflichten.
Welche Risiken tragen Earn-outs?
Bilanzpolitik, unklare Definitionen, Verzögerungen bei der Berichterstattung und Interessenkonflikte.
Wie verhindere ich Bilanzpolitik?
Durch Standardisierung der Bilanzierungsgrundlagen und Kontrollrechte des Verkäufers.
Welche Alternativen gibt es?
Vendor Loans, Escrow-Vereinbarungen oder Ratchet-Modelle mit Beteiligungsanpassung.