Handwerksbetrieb kaufen

Einen Handwerksbetrieb kaufen bedeutet, in Substanz, Know-how und langfristige Marktposition zu investieren. Anders als bei Neugründungen bietet eine Geschäftsübernahme im Handwerk den Vorteil eines etablierten Kundenstamms, eingespielter Strukturen und bewährter Fachkräfte. Gleichzeitig verlangt sie höchste Sorgfalt in der Unternehmensbewertung, bei der Investition von Kapital sowie bei rechtlichen und steuerlichen Aspekten. Wer strategisch vorgeht und die Betriebsauslastung sowie das Inventar prüft, legt die Basis für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge.


Marktlage & Nachfolgepotenziale im deutschen Handwerk

Deutschland steht vor einer massiven Nachfolgewelle: Bis 2030 suchen laut ZDH mehr als 120.000 Betriebe eine Übergabe. Für Investoren und Existenzgründer ist jetzt der ideale Zeitpunkt, einen Handwerksbetrieb zu kaufen, da viele Inhaber aus Altersgründen ausscheiden.
Attraktive Betriebe zeichnen sich aus durch:

  • langjährige Kundenbeziehungen und hohe Kundenbindung,

  • geschultes Fachpersonal mit Branchenerfahrung,

  • gepflegte Maschinenparks und dokumentiertes Inventar,

  • sowie eine solide regionale Betriebsauslastung.

Die Kombination aus gewachsenem Vertrauen und wirtschaftlicher Kontinuität macht die Branche besonders interessant für Käufer.


Unternehmensbewertung & Ertragsanalyse

Die Unternehmensbewertung im Handwerk erfordert eine differenzierte Betrachtung von Ertragskraft und Substanzwert. Typische Bewertungsmethoden sind:

  • das Ertragswertverfahren, bei dem zukünftige Gewinne diskontiert werden,

  • die Multiplikator-Methode, basierend auf EBIT- oder EBITDA-Faktoren,

  • und die Substanzwertmethode, zur Erfassung von Maschinen, Anlagen und Fuhrpark.

Im Rahmen der Due Diligence prüfen Käufer:

  • aktuelle Jahresabschlüsse,

  • steuerliche Rückstellungen,

  • Verbindlichkeiten aus Lieferantenkrediten,

  • und Haftungspositionen aus Gewährleistungsarbeiten.

Ziel ist die Ermittlung des Ertragswerts und die Festlegung eines fairen Kaufpreises, der die nachhaltige Ertragskraft widerspiegelt.


Rechtliche Aspekte bei der Firmenübernahme

Beim Handwerksbetrieb kaufen ist die rechtliche Struktur entscheidend. Zwei Transaktionsarten dominieren:

  • Asset Deal: Erwerb einzelner Vermögensgegenstände und Vertragsverhältnisse,

  • Share Deal: Erwerb von Geschäftsanteilen inklusive sämtlicher Rechte und Pflichten.

Wichtige rechtliche Grundlagen:

  • § 415 BGB: Zustimmungspflicht bei Vertragsübernahmen,

  • § 613a BGB: Übergang von Arbeitsverhältnissen,

  • HGB § 25: Haftung bei Firmenfortführung,

  • GewO § 1: Erlaubnispflicht für zulassungspflichtige Handwerke.

Ein notarieller Kaufvertrag sollte Gewährleistungsrechte, Garantievereinbarungen, Haftungsausschlüsse und Wettbewerbsverbote regeln.

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Technische Substanz & Inventarbewertung

Ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensbewertung ist die Bewertung der technischen Ausstattung. Käufer sollten im Rahmen einer technischen Due Diligence insbesondere prüfen:

  • Alter, Wartungszustand und Energieeffizienz von Maschinen,

  • IT-Systeme, ERP-Software und Auftragssteuerung,

  • Werkstatt- und Fuhrparkausstattung,

  • Miet- oder Eigentumsverhältnisse.

Modernes Inventar reduziert Investitionsrisiken und steigert den Unternehmenswert. Unternehmen mit digitalisierten Abläufen gelten als skalierbarer und attraktiver für Kapitalgeber.


Standort & Betriebsauslastung

Der Standort ist im Handwerk oft erfolgsentscheidend. Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Wettbewerbsumfeld und Mietkosten beeinflussen die Rentabilität maßgeblich.
Die Betriebsauslastung ist zentraler Indikator für Produktivität und Liquidität. Käufer sollten:

  • Auftragsbestände der letzten 24 Monate analysieren,

  • Personalkapazitäten und Qualifikationen prüfen,

  • sowie saisonale Schwankungen berücksichtigen.

Eine stabile Betriebsauslastung garantiert gleichbleibende Umsätze und schafft Vertrauen bei Kreditinstituten.


Investition von Kapital & Finanzierungsmodelle

Eine Investition von Kapital in das Handwerk ist langfristig stabil, da die Branche von persönlicher Dienstleistung und regionaler Bindung geprägt ist.
Käufer nutzen typischerweise:

  • Eigenkapital oder Beteiligungen,

  • Fremdkapital über Hausbanken,

  • Förderprogramme (z. B. KfW-Unternehmerkredit, Bürgschaftsbanken).

Entscheidend ist die Kapitalstruktur:
Ein hoher Eigenkapitalanteil senkt das Risiko, während langfristige Kredite die Liquidität sichern. Ein detaillierter Businessplan ist obligatorisch für Kreditbewilligungen und Förderanträge.


Kundenbindung & Nachfolgeorganisation

Beim Handwerksbetrieb kaufen steht die Kundenbindung im Mittelpunkt der Übergangsphase. Ein strukturierter Nachfolgeprozess sichert den Fortbestand des Betriebes und stärkt das Vertrauen von Auftraggebern.

Best Practices:

  • transparente Kommunikation mit Bestandskunden,

  • schrittweise Übergabe durch den Altinhaber (Begleitung 6–12 Monate),

  • Qualitätssicherung durch Nachfolgevereinbarungen,

  • aktive Öffentlichkeitsarbeit (z. B. Handwerkskammer, lokale Presse).

Kontinuität und Vertrauen sind die Grundlage, um nach der Firmenübernahme nachhaltig zu wachsen.


Juristische Schlussbewertung

Der Erwerb eines Handwerksbetriebs ist eine anspruchsvolle Unternehmensnachfolge mit rechtlichen, steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Dimensionen.
Nur wer Ertragskraft, Vertragsstruktur und Prozesse sorgfältig prüft, erreicht eine tragfähige Übernahme.
Professionelle Begleitung durch M&A-Berater, Steuerjuristen und Handwerkskammern ist dabei unerlässlich.
So wird aus dem Kauf eines Betriebs eine strategisch fundierte und rechtssichere Investition in die Zukunft des Handwerks.


FAQ

1. Wie läuft der Kauf eines Handwerksbetriebs ab?
Über eine strukturierte Due Diligence mit Bewertung, Vertragsprüfung und Kaufvertragsgestaltung (Asset oder Share Deal).

2. Welche Kosten entstehen beim Handwerksbetrieb kaufen?
Kaufpreis, Notar- und Beratungskosten, steuerliche Gutachten, ggf. Investitionen in Maschinen und Modernisierung.

3. Ist Sanierung statt Neugründung sinnvoll?
Ja, da ein bestehender Kundenstamm, erfahrenes Personal und funktionierende Prozesse das Risiko senken.

4. Wie wird der Ertragswert eines Handwerksbetriebs berechnet?
Über das Ertragswertverfahren oder die Multiplikator-Methode, basierend auf den nachhaltig erzielbaren Gewinnen.

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